Zum weltweiten Recyclingtag vom 18. März 2022.
An dieser Stelle folgen schwierige Zeilen. Schwierig, weil sie inmitten eines vernichtenden Krieges und während einer zermürbenden Pandemie entstehen. Schwierig sind die Zeilen auch, weil sie ein grosses Dilemma abbilden – wie Sacha Moser, unser Betriebsleiter in Cressier sagt: «Die Natur braucht uns nicht, aber wir sie.» Am 18. März ist Welt-Recyclingtag, ein Tag, an dem Konsum, Krieg und Krankheiten weitere Menschen und die Umwelt zerstören. Es soll sich dennoch lohnen, näher auf ein Dilemma einzugehen, vor dem wir als Recyclingbetrieb für den Umweltschutz stehen. Denn: «Wir wollen eigentlich nur das eine, eine Zukunft für alle», fasst Sacha treffend zusammen.
Auf der einen Seite sammeln wir Joghurt-Deckel, trennen PET und Karton, befördern Glas in allen getrennten Farben in die Boxen und versuchen, auf unnötige Autofahrten zu verzichten, sparen Wasser und Strom. Auf der anderen Seite sind wir als Recyclingbetrieb gefordert, den stetig wachsenden Entsorgungsanforderungen gerecht zu werden. «Das Problem beginnt schon in der Idee, bis ein Produkt produziert auf den Markt kommt. Die Hersteller denken nicht bis zum Ende der Wertschöpfungskette, wenn sie ein Produkt herstellen. Wir als Recycler sind mehr oder weniger alleine aktiv und proaktiv in der Entsorgung und ihren Verfahren», sagt Sacha Moser, der in verschiedenen Arbeitsgruppen auf Bundes- und Vereinsebene tätig ist. Er nimmt das Beispiel eines Natels, das in sich so fix zusammengebaut ist, dass die gefährlichen Bestandteile wie Batterie, nur mit Gewaltanwendung herausgenommen werden könnten. Das aber ist verboten. «Die Lösung wäre, die Geräte so stabil zu bauen, dass man sie auseinandernehmen kann, um sie zu flicken oder für den Sekundärrohstoff zu entsorgen. Und wie erwähnt, wäre es wichtig, Akkus und Batterien zu ersetzen oder zu entfernen, ohne das Gerät mit Gewalt aufzubrechen.» Also raus aus dieser Spirale der Einmal-Anwendung, die heisst Wegwerfgesellschaft!
Auch die Bau-, Möbel- oder Autoindustrie machen einen Denkfehler, wenn sie Kunststoff mit Holz, das wood-plastic, vermischt um ein sogenanntes umweltgerechtes Material zu lancieren, denn: «Wie wollen wir das recyclen? Wie können wir eine Verbundfolie oder Kunststoff und Holz voneinander trennen? Dieser Mix landet in der Verbrennung statt im Recycling.», sagt Sacha Moser und geht weiter auf unsere alltäglichen Konsumgüter ein: «Die Laufzeiten von Batterien und Akkus werden kürzer, die Materialverbindungen immer gemischter, so dass wir gefordert sind, wie wir diese trennen. So landen Telefone, Pads etc. direkt in der Batteriesammlung, da wir ja die zusammengeschweissten Geräte nicht mit Gewalt aufbrechen dürfen, um den Akku zu entfernen.» Es sind also nicht nur die Materialprüfer, Gesetzgeber und die Konsumenten, die für den Kreislauf mitdenken, sondern vor allem die Privatwirtschaft, die sich um Recyclingverfahren, Maschinen und Know-How bemühen müssen. Das ist das eine Dilemma zwischen Wirtschaft, Politik und Lobby.
Das andere Dilemma ist, dass nicht jedes Recyclingmaterial lebenslang überdauern kann. «Das zweite Leben bringt nicht viel, weil dadurch ein neuer Schadstoff entstehen kann. Ein Beispiel: Alle Energiesparlampen haben ein krankmachendes Quecksilber-Pulver intus, sparen nicht viel Energie und verursachen mit dem flackernden, grellen Licht Sehstörungen.»Wie kann sowas in der Produktentwicklung mit einem Verbot von Glühlampen und dem Vormarsch von LED passieren?
Wir können zwar viel PET sammeln, doch nach acht Leben als Trinkflasche ist Schluss. Auch ein Kleid aus PET-Flaschen, die aus Granulat zu Fäden verarbeitet sind, ist fragwürdig: Wo soll das Kleid bei Nichtgebrauch hin, in die PET oder in die Textilsammlung? Stammen die Lithium-Batterien von unserem Elektro-Auto aus einem Betrieb, der menschenwürdig und umweltfreundlich handelt? Sind wir uns bewusst, was passiert, wenn ein Elektro-Auto in einen Unfall verwickelt ist, und was passiert nun mit dem gesunkenen Frachter vor den Azoren, voller Lithiumbatterien? Sacha Moser: «Alle im Meer versunkenen 5000 Frachter auf dieser Welt rosten vor sich hin und stossen laut National Ocean Organisation laufend Rohöl aus.» Was mit den zwar gesicherten Lithium-Batterien der 4000 Autos passiert, weiss noch kein Mensch. Umgekehrt mussten CO2-schonende Elektroautos erst in Unfälle verwickelt werden, damit der Mensch weiss, wie damit umzugehen ist. Sacha Moser: «Es braucht spezielle Abstellplätze für Unfallautos mit Elektroantrieb, und die Feuerwehr oder der Abschleppdienst müssen sich selber zu helfen wissen.»
Zum Kreislauf der Produktentwicklung sagt Moser weiter: «Es gibt Verordnungen und Gesetze, aber die Produkte sind schon vorher auf dem Markt. Gab es Studien, wo der Markt an Rohstoffen liegt? Was können wir eigentlich noch an Sekundärrohstoffen retten?» Diese Zusammenarbeit in der Kreislauf-Wirtschaft dürfte noch intensiver sein, um die privaten Unternehmen im Recycling-Bereich früher einzubinden – und damit der Umwelt zu helfen. Beispiel Nanopartikel. «Esswaren beinhalten Nanoanteile an gefährlichen Stoffen, beispielsweise in einem Schokoriegel für die Intensivierung von Geschmack und Genuss. Aber auch beim Autowaschen oder in Reinigungsprodukten sind sie enthalten und werden freigegeben. Frage ist nun, gehen die aus dem Körper raus oder bleiben sie drin, das weiss niemand. Auch nicht, was auf uns zukommt.»
Und wenn wir beim Dilemma bleiben, die matchentscheidende Frage: Worauf sind wir bereit, zu verzichten, um weniger Abfall zu produzieren? Notabene: Wir verarbeiten in unserer gesamten Firmengruppe auf dem Shredder 50 Tonnen Recyclingmaterial pro Stunde in einem 16-Stunden-Tag. Dabei sind wir ja nicht die einzigen Recycler auf dem Markt.
«Zweit- oder Drittanwendungen wären eine Lösung. Für weniger Ressourcen braucht es dauerhaftere und stabilere Konsumgüter. Und statt Kunststoff in der Küche können wir Holz oder Metall verwenden.» rät Sacha Moser, wie wir neben dem Trennen von Abfall täglich als Vorbild umweltgerecht handeln können, weil wir recyclierbare Materialien verwenden.
Wir in den reichen Ländern mit unserem Bestreben nach weniger CO2-Emmissionen leben auf Kosten der armen: «Für Kobalt herrschen schlimme Arbeitsbedingungen ohne Schutz und mit Kinderarbeit. Für unseren Umweltschutz sind wir am Ausbeuten in den sogenannten Drittwelt-Ländern. Weil dort kein Geld vorhanden ist, müssen sie weitermachen.»Sacha Moser ist weit gereist und kennt sich aus, wie und wo unter welchen miesen Bedingungen Gold, Salz oder Wasser gestohlen wird: «Nur ein kleines Bisschen von unserem Komfort könnten wir abgeben, um mit der Natur und unseren Mitmenschen aus den Drittweltländern besser umzugehen.» Das beginnt bei einer Bestellung von Ramsch aus Übersee: Denn ein Frachter braucht für seine Hin- und Rückfahrt über den Atlantik genau gleich viel CO2, wie wir im gesamten Europa ein Jahr lang Auto fahren. Wir mit Katalysator. Der Frachter ohne Filter mit Rohöl.
Die Politik ist gefordert, die Hersteller zu binden, damit sie eine längere Lebensdauer ihrer Güter garantieren – und ihre Entsorgung bis zum Schluss einrechnen. Die Waschmaschinen unserer Grossväter hielten schliesslich auch 40 Jahre lang. Dazu Sacha Moser: «Und heute schauen die Produzenten, dass ihr Gerät nach Ablauf der Garantie gleich kaputt geht.»
Ein Dilemma – und ein paar Denkanstösse mit unserem Sacha Moser zum Weltrecyclingtag vom 18. März 2022.