Lehrbetrieb, Ausbildungsbetrieb, Mitarbeiter, Unternehmen

Er gibt den Lernenden eine Stimme: Jérôme Pürro

Ausbilder und Lehrlingsbetreuer in der ganzen Bühlmann Gruppe, Berufsschullehrer, Prüfungs-Chef-Experte für die Romandie, Präsident der Lehrlingskommissionen in den Kanton FR/BE/NE/SO und Mitglied in der Kommission für die Entwicklung und Qualität der Berufsausbildung, kurz B&Q: Jérôme Pürro erzählt von seinem Engagement für den Nachwuchs und gibt den Lernenden eine Stimme.

«Wir stellen Prüfungen auf und sicher, bereiten Lehr-Abschlüsse in Praxis und Theorie vor, wir tauschen uns viel aus, leiten Intensivkurse am Strickhof in Lindau.»  In dieser Kommission engagieren sich ausgebildete Recyclisten und Ausbilder, aber auch Praktiker aus der ganzen Schweiz. Dabei geht es um Recyclingspezialisten und –verfahren, die ihre Inputs und Erfahrungen in die Kommission reinbringen. Dabei handelt die Kommission gesamtschweizerisch für die R-Suisse der Vereinigung für den Beruf als Recyclist EFZ.

Informationen
https://www.r-suisse.ch

Was muss ein geeigneter Lernender mitbringen, um seine Ausbildung als Recyclist erfolgreich abzuschliessen? Dazu Jérôme Pürro: «Auf praktischer Ebene ist es wichtig, dass der Mensch gerne draussen ist, tägliche Abwechslung mag und keine Angst von schmutzigen Händen hat – und dabei streiche ich sehr deutlich heraus, dass Schmutz in diesem Fall nicht von Kehricht stammt, sondern aus Abfall für die Verwertung und Valorisierung von Sekundärrohstoffen. Ein Lehrlingsanwärter muss auch gerne Maschinen haben, immerhin kann er viele Führerscheine innerhalb der Lehrzeit machen
Zu diesen Anforderungen kommt eine grundlegende Kontaktfreudigkeit und soziale Kompetenz hinzu im Umgang mit Kundschaft.

Auf schulischem Niveau braucht ein auszubildender Recyclist eine gute Basis in Mathematik: «Wichtig sind Kopfrechnen, das Ausrechnen der Gewichte, Flächen und Volumen, so beispielsweise auf Platz beim effizienten Einkassieren der Recyclingmaterialien. Das Rechnen ist ziemlich wichtig, doch auch eine solide Allgemeinbildung zu einem eidgenössisch diplomierten Berufsabschluss. Das Sozialverhalten entscheidet ebenso über die Eignung, so im achtvollen Respekt im Umgang mit Mensch und Umwelt oder in der nötigen Einhaltung der Arbeitssicherheit und deren gesetzlichen Vorschriften.» rundet Jérôme die breiten Anforderungen an eine ideale Bewerbung ab. 

Materialkunde ist ein Fach, das in den drei Ausbildungsjahren am intensivsten gelehrt wird. «In diesem Fach unterstützen wir die Lernenden intensiv und praxisnah mit diversen Methoden. Für die Unterscheidung von Kunststoff, als Beispiel, lernen sie mit Wärme, Rauchentwicklung und Gerüche die verschiedenen Verbindungen zu kennen. Beim Bauschutt geht vieles übers Anfassen und Anschauen.» präzisiert der Berufsfachlehrer Pürro, der für die Westschweizer alle Berufsfächer unterrichtet. Neben Materialkunde kommen an beiden Berufsschulen in Freiburg in Dietikon die Fächer Ökologie, Umweltschutz, Materialkunde, Physik, Chemie, Arbeitssicherheit und Abfallmanagement hinzu.

Wie sieht der Alltag mit dem Nachwuchs aus? «Es ist nicht immer einfach, vor allem mit direkten Schulabgängern im ersten Lehrjahr, die nichts anderes gefunden haben. Und genau hier liegt das Grundproblem: Dem Beruf haftet das Stichwort Abfall an, ein ‚Ghüdermann’ will niemand werden. Erfahrungsgemäss sind im Oktober von 10 Schülern noch 8 bis 9 dabei, weil es ihnen wirklich gefällt.»

Wie handeln die bewilligten Ausbildungsbetriebe, um eine möglichst breite Lehre wie hier in der Bühlmann Recycling AG zu ermöglichen? «Lehrlinge, die ihre Recycling-Ausbildung im Detailhandel, in der Innenarchitektur, in der Medizin oder der Bau-Demontage absolvieren, sehen ihren Teil, ein eher kleiner Teil an Materialien. Sie müssen sich an der Schule zuerst in die Vielfalt an Recyclingmaterial aber auch auf die schweren Maschinen einstellen.» Pürro nennt einen Ausbilderbetrieb, spezialisiert in Baustellen-Schutt, was ein kleiner Teil der Ausbildung ausmacht. Aus diesem Grund müssen sich die Betriebe Lehrlinge austauschen, damit sie im Turnus andere Materialien und Verfahren kennen lernen. «Dieser Ausbildungsplan auf drei Jahre ist dann die vertragliche Grundlage, um überhaupt eine Ausbildungsbewilligung zu erstellen. Und selbstverständlich kontrollieren wir, ob dieser Austausch stattfindet.» präzisiert der Präsident der Lehrlingskommission Jérôme Pürro, der «seine» Lehrlinge fortlaufend besucht und ihren Ausbildungsstandard kontrolliert.

Bühlmann Recycling AG und ihre Gruppe deckt alle Recyclingmaterialien und –verfahren ab und kann in ihren Betrieben drei Fachleute ausbilden.  Aber wie will man dem Nachwuchsmangel entgegentreten? Bei uns sind derzeit fünf in Ausbildung, obwohl neun Plätze zur Verfügung stehen. 

Jérôme Pürro spricht aus Erfahrung als gelernter Recyclist EFZ: «Wenn jemand schnell Interesse an Maschinen gezeigt, kann er dieses auch schnell umsetzen. Zwischen August und Januar kann ein Stift den Stappler, den Seitenstappler und die ‚Ameise’, den elektrischen Paletten-Trolley lernen. Ein Jahr später kommt der Ausweis für die Hebebühne hinzu. Es sind immerhin wertige Ausweise, die auch in einem anderen Beruf dienen. Je nach Kanton darf ein Lehrling auch direkt ohne Ausweis auf den Bagger.» Die Berufsaussichten und Perspektiven für einen gelernten Recyclisten sind im Fall vielseitig, um nur einige zu nennen: Berater für Umweltfragen, Rohstoff-Aufarbeiter, Fachspezialist für Entsorgungsanlagen, Umweltingenieur, technischer Kaufmann. Nach Abschluss bekommt man schnell mehr Verantwortung, präzisiert Jérôme: «80% aller Lehrlinge bekommen nach Abschluss sofort mehr Verantwortung auf Platz, in einem Bereich oder für einen Prozess.»

https://www.recyclist.ch/weiterbildung/

Der 35jährige Pürro reist viel herum, orientiert, informiert bei möglichem Nachwuchs, organisiert Betriebsbesichtigungen. Gesamtschweizerisch stehen 50 Ausbildungsplätze zur Verfügung, dabei sind 35 besetzt. Woran liegt der Nachwuchsmangel? «Es liegt an der Mentalität, die mit ‚Abfall und Kehricht’ behaftet ist, was viele Lehrlingsanwärter abschreckt. Vielleicht müssen wir an der Berufsbezeichnung feilen, und wir müssten die Löhne erhöhen.» sinniert Jérôme über den wertvollen Beruf als Recyclist.Er kümmert sich um unsere Lernenden mit Praxiskursen und versorgt sie mit vergangenen Berufsprüfungen, zu denen er als Berufsschullehrer Zugang hat – eine Art Selbstkontrolle. 

Ein Privileg für die Lehrlinge, die von diesem einzigartigen Ausbildungsangebot bei uns auch aus vollen Zügen profitieren! Und es ist ein Privileg für uns, mit Jérôme Pürro einen so kompetenten und agilen Lehrlingsbetreuer an Bord zu haben.