Mitarbeiter, Maschinen

Nach Ihnen, werte Damen!

Nun es ist ja überhaupt nicht so, dass wir in unseren Betrieben nach Geschlecht, Hautfarbe, Sprache oder Herkunft urteilen. Ganz im Gegenteil, bei uns findet jeder Mensch seine Aufgabe – auch dann, wenn diese in einer vermeintlichen Männerdomäne liegt. Und die Fragen nach Genderneutralität oder einer Frauenquote lassen wir unkommentiert einfach so stehen. 

Als Recyclistin zu arbeiten ist nämlich genauso typisch “männlich”, wie ein Mann einem “weiblichen” Beruf nachgeht. Und dennoch, es steckt mehr dahinter und hat sich fix in geschlechterspezifische Hirngewinde eingebohrt. Welche Hürden oder Hemmschwellen im Alltag als Recyclistin stecken, erfahren wir aus unserem Betrieb in Cressier – derjenige mit der höchsten Frauenquote übrigens. Claudia Moser und Laetitia Boldini sind zwei von insgesamt 11 Frauen, die hier arbeiten. Und um sie Beide geht es stellvertretend für alle Kolleginnen in unseren Betrieben.

Claudia Moser kam dank der Liebe vor 21 Jahren aus Brasilien in die Schweiz, hat vor knapp 19 Jahren als Reinigungskraft bei uns begonnen und führt heute die zweite Annahmestelle in unserem Betrieb in Cressier. Sie beeindruckt mit einer Recycling-Anekdote und einer simplen aber klugen Tatsache von ihrem Vater: „Wir stellten zuhause in Brasilien Dinge, die wir nicht mehr brauchen konnten, vors Haus und warteten auf den Camion, früher war das eine Pferdekutsche. Darin befanden sich Dinge, die wir gebrauchen konnten. So fand ein Tausch statt, Kabel gegen Pfanne.“ Claudia, ist sehr streng zu sich und mit anderen im Trennen und Entsorgen von Müll. Claudia hat sich hier behaupten müssen, nicht nur was ihre Sprachkenntnisse als Ausländerin angeht: „Frau. Und obenauf noch eine farbige Frau! Das passt ein paar Männern manchmal nicht in ihr Konzept“, meint die fröhliche Frau lachend. Sie ist es, die den Lastwagen-Fahrer mit seiner vollen Ladung empfängt, ihm beim Ablad auf dem Gabelstapler hilft und sich um die Papiere kümmert. Ihr Rat für Einsteigerinnen ist: «Ihr müsst stark, ruhig und nicht allzu sensibel sein.“ Claudia ist beruhigend mit ihrer Freundlichkeit, ihrer Fröhlichkeit, liebt ihre Arbeit und hat dabei viel dazugelernt: „Es braucht ein Interesse fürs Detail, für die Technik, Maschinen und der Wille, diese zu bedienen.“

Wenn Laetitia Boldini aus dem Pneu-Bagger steigt, lässt es sich leichtsinnig und machohaft zum dummen Spruch verleiten „Ach so, blond!“ (Nebenbei: Jene, die das schreibt ist eine männerfreundliche Frau, deshalb darf sie den Blondinen-Spruch auch zitieren.) Die gelernte Recyclistin EFZ ist bei uns Baggerfahrerin, Sie bedient den Bagger in der Holzverarbeitung wie auch im Abfall. Sie arbeitet seit drei Jahren auf verschiedenen Modellen: „Ich habe Maschinen schon immer geliebt. Der Gabelstapler und der Manitu waren mein Einstieg. Die Bedienung und Handhabung des Umschlagbaggers mit Greifer gefallen mir sehr. Und ich bin glücklich, dass wir für wöchentliche Wartung genug Zeit beanspruchen dürfen.“  Laetitia ist für Wartung, für die ordnungsgemässe Funktion sowie für die Produktionsqualität ihrer vier Maschinen und Anlagen verantwortlich – und vergisst dabei nie, den Zusammenhalt im Team zu fördern. Die Bedienung der Riesenmaschine mit Greifarm hat sie schnell gelernt. Es erfordert ihrer Erfahrung nach Präzision, Achtsamkeit, aber auch Konzentration und Wendigkeit.  

Anderen Frauen in männlichen Berufen gibt sie den Tipp, sich fachlich und menschlich nicht unterkriegen zu lassen und sich zu behaupten. Sie konnte sich Respekt verschaffen, indem sie sich im Umfeld dank ihren beruflichen Qualifikationen durchsetzen konnte. Lächelnd erinnert sie sich an eine Bemerkung: „Da kommt so eine junge, kleine Blonde und will auf diesen Bagger…“ Ihren Blick in die Zukunft fasst sie so zusammen und denkt dabei laut nach: „Recycling ist wichtig, der Beruf ist wichtig, und wir werden nie von Robotern ersetzt werden. Diesen Überkonsum empfinde ich schlimm: Wir könnten den Occasionsmarkt besser unterstützen. Wenn ich brandneue Waren in ihrer Originalverpackung hier zum Entsorgen sehe, ist das doch nicht normal“, stellt Laetitia fest und zählt dabei viele Perspektiven in ihrem Beruf als Recyclistin auf – und die gehen weit über das Baggerfahren hinaus!